Wir trauern um  

Andreas Gorski, 41

 

Am 26.April 2002 wurde unser Kollege Andreas Gorski bei der Ausübung seines Dienstes

in Erfurt erschossen. Er wurde nur 41 Jahre alt.

Er starb an dem Tag, als er  nach dem Dienst den Geburtstag seiner Tochter feiern wollte.

Er hinterlässt seine Frau und zwei Kinder.

 

Nachruf

 

17 Tote, vier Schwerverletzte. Schock, Angst und viele Tränen. Das ist das Resultat eines Amoklaufs am Vormittag des 26. April 2002 am Erfurter Gutenberg-Gymnasium. Die Schule war bis zum Abend abgesperrt, Anwohner mussten ihre Häuser verlassen, ein Kindergarten wurde evakuiert. Denn es war nicht klar, ob der Täter, der sich erschossen hatte, allein handelte.

Das Gutenberg-Gymnasium, ein stattlicher Bau aus dem Jahre 1908, gilt in Erfurt als gute Adresse für Schüler und Lehrer. Oliver aus der 6a packte gestern gerade seine Kunsterziehungs-Sachen zusammen. Nach der vierten Stunde würde große Pause sein. Das Wochenende war nah, die Sonne schien, Bäume blühten vor den Fenstern. Eine Stunde später konnte er sich nicht mehr erinnern: Worauf hatte er sich eigentlich so gefreut? Er war froh, überhaupt noch zu leben.

Sekunden später, berichtet der Junge, fielen Schüsse in der Schule. Von unten kamen sie nach oben immer näher. Die Kinder stürzten aus dem Schulhaus. "Lauft weg", riefen die Lehrer. Oliver sprang über den Zaun vom Schulhof.

Der Hausmeister rief um 11.05 Uhr bei der Erfurter Polizei an, die Polizeidirektion liegt nur wenige Straßen entfernt. Nach dem Anruf fuhr sofort ein Streifenwagen mit zwei Beamten zur Schule, vielleicht sieben Minuten später sind sie an der Gymnasiumstür. Wegen der Schuss-Warnung tragen beide kugelsichere Westen, nur den Helm haben sie noch nicht auf. Als sie das Haus betreten wollen, sehen sie dort zwei blutüberströmte Körper liegen. Bevor sie überlegen können, feuert der Amok-Schütze von oben. Der Polizei-Obermeister Andreas G., geboren 1960, wird in den Kopf getroffen. Er soll sofort tot gewesen sein.

Eigentlich hätte G. nach dieser Fahrt Dienstschluss gehabt. Zu Hause warteten seine Frau und zwei Kinder auf ihn und wollten feiern. Seine Tochter hatte gestern Geburtstag.

Der Einsatz wird sofort abgebrochen, das Krisenszenario der Polizei, später auch der Regierung, läuft an. Das Sondereinsatzkommando des Landeskriminalamts wird alarmiert, Wasserwerfer, Panzerwagen und unzählige Streifenwagen fahren mit Blaulicht in die Gegend hinter dem Petersberg unterhalb des Bundesarbeitsgerichts. Das Wohngebiet wird abgesperrt, Einwohner müssen zum Teil ihre Wohnungen verlassen. Der Kindergarten in der Nachbarschaft wird auf mögliche Gefährdung geprüft, die Polizei entschließt sich aber, die Kinder und ihre Betreuerinnen im Gebäude zu lassen. Erst als die Gefahr gebannt schien, werden die Eltern der Kinder angerufen, um sie abzuholen.

Die Schüler des Gymnasiums, die aus dem Gebäude fliehen konnten, werden zuerst auf eine Wiese beim Bundesarbeitsgericht, später auf den nahen Sportplatz gebracht. Dort werden Rettungszelte errichtet. Ärzte und Psychologen kümmern sich um sie. "Alle Psychologen, die wir erreichen konnten, haben wir um Unterstützung gebeten", sagt Innenstaatssekretär Manfred Scherer später. Viele kamen auch völlig unaufgefordert, um Hilfe anzubieten. Darunter sind Pfarrer, hauptamtliche Schulpsychologen der Thüringer Schulämter.

Viele der Kinder können nicht sprechen. Sie weinen nur. Eltern kommen in fliegender Eile zur Schule. Viele sind aschfahl im Gesicht. Dann stehen sie am Sportplatz, ratlos, voller Sorge, frierend, trotz des Frühlingstages. Die Nerven liegen blank. Wer sein Kind findet, weint vor Glück. Aber niemand weiß, welche Kinder sich gerettet haben, welche nach Hause rannten. Und vor allem: Wer ist noch im Schulhaus? 20 sollen sich noch dort aufhalten, heißt es erst. Von drei Toten wird gesprochen. Es waren die drei, die der überlebende Polizist gesehen hatte.

Nicht nur Eltern stehen weinend und vor Sorge zitternd am Sportplatz. Auch Angehörige der Lehrer. "Meine Frau ist da noch drin", sagt Herr D. "Ich habe immer gedacht, so was gibt´s nur im Film oder irgendwo auf der Welt. Ich kann es nicht fassen." Stunden später steht fest: Seine Frau, Lehrerin für Kunsterziehung, ist unter den Toten.

Alles ging rasend schnell. In der Aula im obersten Stockwerk wurde die Mathematik-Prüfung geschrieben. Es war wie in ganz Thüringen einer der der letzten Tag fürs Schriftliche. Über dem Haupteingang der Schule hängt ein Plakat: "Abitur 2002 - trotz Pisa". Aber alle, die draußen sind, interessiert jetzt aber nur noch jener Zettel, den jemand am Fenster in der obersten Etage befestigt hat. In Großbuchstaben steht darauf:

HILFE.

Was genau aber geschieht hinter den Fenstern? Wie viele Täter sind es, wie viele Schüler sind noch im Gebäude?

Die Polizei muss nach dem, was gerettete Schüler erzählen, von zwei oder drei Tätern ausgehen. An ihrer Version halten viele, die in der Schule waren, auch später fest. Doch als sich die Polizei entschließt, um 11.43 Uhr in das Gebäude einzudringen, treffen sie auf keinen Widerstand. Es fällt kein Schuss mehr. Außer einem: Es ist jener Schuss, mit dem der Amokläufer seinem Leben selbst ein Ende setzt.

Dafür bietet sich den Beamten, Medizinern und Sanitätern ein unbeschreibliches Bild des Grauens. Blut überall, Leichen mit Kopfschüssen und Bauchverletzungen auf den Gängen der ersten Etage, in den Toiletten, in einem Raum neben dem Sekretariat. Blut an den Wänden. Die zuerst eintreffende Notärztin konnte noch einem Verletzten helfen, indem sie ihm die Schmerzen nahm.

Der Täter war offensichtlich Etage für Etage durch das Schulhaus gelaufen und hatte alle Erwachsenen erschossen, die er dabei traf. Nicht nur jene, die sich vielleicht wehren wollten. Er tötete wahllos. Neun Lehrer, drei Lehrerinnen, die stellvertretende Schulleiterin, die Sekretärin, zwei Schülerinnen zählen zu den Opfern.

Gegen 13 Uhr ist es Gewissheit: Der tote Amok-Schütze wird in einem abgelegenen Raum in der ersten Etage gefunden. Damit können die 180 Schüler endlich in Sicherheit gebracht werden. Viele hatten sich im obersten Geschoss verbarrikadiert, manche in der Aula, andere in Klassenzimmern. Mit ihren Lehrern hatten sie Tische vor die Türen gerückt. Manche versuchten, mit Eltern oder Freunden über Handy Kontakt aufzunehmen.

Zunächst wurden die Geretteten in die Turnhalle gebracht, dann in weiter entfernte Quartiere. Doch Ruhe finden sie noch nicht: Neben der psychologischen Betreuung müssen sie sich auch den Fragen  der Polizei stellen. Noch ist nicht sicher, ob es nicht doch einen zweiten Täter gab, der sich unauffällig unter die Opfer gemischt hat. Da der oder die Schützen Masken trugen, wäre es vielleicht nicht aufgefallen, wenn es einer von ihnen war.

Die Polizei durchsucht die Keller, Garagen, Schuppen. Sogar Unterlagen über die Kanalisation werden herbeigebracht und dort geforscht. Das Bundeskriminalamt schickt Spezialisten. Gefunden wird nichts. Keine weiteren Waffen, keine schwarze Kutte. Kein Täter. Allerdings sagt selbst Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU), er könne sich nicht vorstellen, dass dies die Tat eines Einzelnen gewesen sein soll. 18 Tote, darunter 13 Lehrer. Da meint auch Kultusminister Michael Krapp, dass da nicht wild um sich geschossen, sondern genau gezielt wurde.

Über den eigentlichen Beginn der Tragödie gibt es inzwischen schon mehrere Versionen. Ein Mann will gesehen haben, wie schon außerhalb der Schule gegen elf Uhr plötzlich eine ganz "schwarze und schmale Gestalt" Schüsse abgab und die Schüler kreischend davon liefen.

Dann verschwand der Schütze im Gebäude. Einige Schüler berichten, der Täter habe die Schule normal betreten und sich auf der Toilette im ersten Stock in einen "Ninja-Krieger" verwandelt. Mit Pump-Gun und Pistole bewaffnet begann er dann seinen Amok-Lauf.

Sicher ist nur: Sie kannten ihn. Er war einer von ihnen:     Robert Steinhäuser

aus Thüringer Allgemeine vom 27.04.02 von Angelika Reiser-Fischer und Eberhardt Pfeiffer

Andreas-Gorski-Gedenkturnier in Erfurt 

Anschließend ehrten die Anwesenden in einer Schweigeminute Andreas Gorski. Die diensthabenden Kollegen der Polizeiinspektion Erfurt-Nord gedachten ihres ermordeten Kollegen und legten ein Blumengebinde an seiner letzten Ruhestätte nieder.

Traditionell fand am fünften Mai das Andreas-Gorski-Gedenkturnier auf dem Sportplatz im Gebreite statt. Das Turnier wurde eröffnet durch den Leitenden Polizeidirektor Schrehardt, welcher auch selbst die Uniform gegen Sportkleidung austauschte und mitspielte. Sieben Mannschaften sowie eine Frauenmannschaft kämpften um den von der GdP-Kreisgruppe gestifteten Pokal. Trotz vorherrschender Kühle bei zum Teil kräftigem Wind kämpften die Mannschaften voller Euphorie und absolut fair gegeneinander.

Sieger des Turniers wurde zum dritten Mal in Folge die Mannschaft I der Polizeiinspektion Zentrale Dienste, die somit ein Anrecht darauf hat, den Wanderpokal für sich beanspruchen zu können.

Den zweiten Platz belegte die Mannschaft der PI Erfurt-Süd und den dritten Platz erkämpfte sich die gemischte Mannschaft aus der PD und der VPI Erfurt, in welcher auch Herr Schrehardt und Herr Schum mitspielten.

Die weitere Platzierung  gestaltete sich folgendermaßen: PI Erfurt-Nord, KPI, PIZD II, PI Sömmerda sowie die Frauenmannschaft der PD. Auch in diesem Jahr spielten die Kinder Carolin Gorski in der Frauenmannschaft und Michael Gorski in der gemischten Mannschaft der PD mit.

Die Siegerehrung führte Polizeioberrätin Heike Langguth gemeinsam mit Kerstin Gorski, der Witwe von Andreas Gorski,  durch, die auch in diesem Jahr während des Turniers anwesend war.

Quelle:  GdP.de

 

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